Von der Leinenführigkeit unserer Hunde

Ein Thema, das manche Hundebesitzer*innen zur Verzweiflung treibt und andere in ein tiefes Rätselraten stürzt. Denn wer will schon wie ein Wasserskifahrer hinter seinem Hund hergeschliffen werden? Es ist fast so, als würden wir uns auf einem Spaziergang im Tauziehen üben – nur ohne die olympischen Ambitionen.
Manche Hunde haben offenbar ein besonderes Talent dafür, ihre Menschen kreuz und quer über den Gehweg zu zerren. Dabei bleibt vom erholsamen Spaziergang leider nicht viel übrig. Je größer und schwerer der Hund, desto größer das Problem und die damit einhergehende Verzweiflung.

Aber mal ehrlich, wer von uns schiebt nicht manchmal das Training der Leinenführigkeit auf die lange Bank? Irgendwie gewöhnt man sich ja auch daran, wenn man nicht gerade auf Weltreise gehen möchte. Schließlich gibt es noch andere Dinge im Leben mit unserem Hund, die wichtiger erscheinen – wie zum Beispiel der Freilauf.
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass viele von uns nicht genau wissen, wie sie ihrem Hund beibringen können, dass man an der Leine ein Team sein sollte. Damit der Spaziergang zur entspannten Angelegenheit wird und nicht zum wilden Ausflug in die Unberechenbarkeit.

Methoden
Die Welt der perfekten Leinenführigkeit für Hunde ist wie ein bunter Garten voller Blumen: Jede Methode bringt ihre eigene Farbe und Schönheit mit, um den Spaziergang mit deinem Hund zu einem blühenden Erlebnis zu machen. Hier sind einige bekannte Ansätze, den richtigen „Weg“ zu finden:

Stehen bleiben, wenn der Hund an der Leine zieht
Wenn dein Hund an der Leine zieht, bleibst du einfach stehen wie ein Baum im Wald. Der Hund soll dabei lernen, dass es nur weitergeht, wenn die Leine locker bleibt und er selbst auch keinen Zug am Halsband oder Geschirr spürt.
Sobald die Leine sich spannt, bleibst du kommentarlos stehen. Das Spiel heißt „Warte auf mich“ und die Regeln sind einfach: Es geht erst weiter, wenn der Hund merkt, dass er mit straffer Leine keinen Schritt vorankommt und von sich aus die Leine wieder locker lässt, indem er sich in deine Richtung bewegt.
Man kann diese Methode auch kreativ variieren:
– Sobald der Hund zieht, gehst du sofort rückwärts, bis er denkt: „Moment mal, wir bewegen uns in die falsche Richtung!“ und umkehrt.
– Oder du sagst ihm ein entschiedenes „Nein!“ und gehst rückwärts, bis er sich umdreht und auf dich zusteuert.
Aber hier ist der „Knackpunkt“: Dein Hund könnte auf die Idee kommen, dass Ziehen zur Übung dazugehört, weil du erst reagierst, wenn er schon zieht. Wenn du nicht absolut konsequent bist, könnte das Ziehen sogar schlimmer werden. Diese Methode verlangt also eine Engelsgeduld, präzises Timing und eine gute Portion Beharrlichkeit.

Richtungswechsel
Wenn dein Hund auf einmal glaubt, dass er schneller als du sein sollte und dich zu überholen beginnt, reagiere ruhig und gelassen. Ohne großes Aufheben drehst du dich einfach um und gehst in eine neue Richtung weiter, als ob du einen anderen Weg entdeckt hättest.
Hier geht es (anfangs) um die Orientierung vom Hund am Menschen im Nahbereich, also an der Leine. Wenn er deinen Richtungswechsel bemerkt, wird er dir folgen, und die Leine bleibt automatisch locker. Zusätzliche Abwechslung schaffen Tempowechsel. Das unterstützt die Orientierung.
Wichtig ist dabei, den richtigen Moment zu wählen. Der Hund sollte nicht erst die Leine straffziehen. Ändere die Richtung oder das Tempo, während er noch hinter oder neben dir läuft. Das erleichtert ihm die Orientierung und dir die Führung, sodass ihr harmonisch gemeinsam unterwegs seid.

Blockieren
Der Hund soll lernen, dass seine Vorderpfoten hinter der Körperachse des Menschen bleiben sollen – sprich, er soll artig hinter dem Zweibeiner herdackeln.
Die Methode? Der Mensch wird zur lebenden Schranke und blockiert den Hund körperlich daran, zu überholen, indem er sich zum Hund eindreht. Mit welcher Intensität dieses geschieht, hängt vom Hund ab.
Sobald der Hund stoppt, dreht sich der Mensch gelassen wieder um und setzt seinen Weg fort. Sollte der Hund versuchen, diese freundliche Barriere zu umgehen, kann der Mensch ihn sanft mit der Hand stoppen – sozusagen eine mobile „Bitte warten“-Geste.
Die entscheidende Frage ist: Lernt der Hund dabei, sich am Menschen zu orientieren oder nur brav hinterherzulaufen? Man sollte sich also vorher überlegen, ob man Wert auf Orientierung legt oder ob es genügt, dass der Hund gemütlich hinten bleibt.

Leinenführigkeit mit Futter
Hier kommt die kulinarische Leinenführigkeit ins Spiel: Mit der schmackhaften Versuchung des Futters schafft es der Hund, neben seinem*r menschlichen Begleiter*in herzuschlendern und dabei die Leine angenehm locker zu lassen.
Nun gut, bevor ihr euch selbst in der Leckerlieschublade versteckt, ein paar Fragen zur Methode: Was passiert, wenn der Hund für eine Weile keinen Keks am Horizont sieht? Ist der Keks der Star oder lassen sich andere Dinge wie bellende Artgenossen mehr bewundern? Lernt der Hund hier, sich am Menschen oder doch am wandelnden Snackautomaten zu orientieren?

Natürlich gibt es noch weitere Methoden – und diverse Variationen und Kombinationen dieser Methoden. Eine Methode, die funktioniert, ist immer klasse. Perfekt wird es, wenn ihr sie auch im Alltag mit eurem Hund umsetzen könnt.
Vergesst nicht, trotz der faszinierenden Auswahl an diversen Hilfsmitteln im Handel, dass ihr als Mensch – Sozialpartner*in – das Allerwichtigste für euren Hund seid!

Fundamente legen
Bevor wir jedoch in die Praxis einsteigen, werfen wir einen Blick zurück. Lasst uns über die Fundamente der Leinenführigkeit sprechen. Warum zieht ein Hund eigentlich an der Leine?
Nun, es gibt da einige Möglichkeiten: Vielleicht kennt er Leinen noch nicht aus seiner Tierschutz-Vergangenheit. Oder sein Mensch war etwas nachlässig im Training, und jetzt ist das Ziehen zur Gewohnheit geworden. Oder er zieht uns einfach dorthin, wo er schnuppern oder mit anderen Hunden plaudern möchte – und wir lassen uns das gefallen. Oder er versucht uns von unangenehmen Dingen wegzuziehen und empfindet das als Belohnung.
Unsere Hunde zeigen eine erstaunliche Beharrlichkeit, wenn es um ihre Ziele geht. Selbst möglicher Schmerz durch das Ziehen an der Leine kann toleriert werden, wenn der Gewinn groß genug ist. Ihr kennt das sicher, diese besonders interessanten Schnupperstellen!

Aber bevor wir uns hier verirren, werfen wir doch mal einen Blick auf uns selbst. Wie stehen wir eigentlich zur Leinenführigkeit? Seien wir da ehrlich zu uns selbst. Vielleicht findet sich hier bereits ein Widerstand, der nichts mit der Methode oder gar dem Hund zu tun hat.

Ein weiterer Punkt ist die persönliche Definition von Leinenführigkeit. Wie sollten mein Hund und ich wohl auf einem Foto aussehen, wenn wir gemeinsam an der Leine unterwegs sind und alles harmonisch läuft? Wie ist meine Haltung, wohin richte ich meinen Blick, wie ist unser Gang, wie halte ich die Leine, wo genau befindet sich mein Hund (direkt neben mir, leicht voraus, gemütlich hinterher trottend)? Und wohin schaut mein Hund? Bin ich mir bewusst, dass ich mehr Verantwortung für meinen angeleinten Hund trage als für meinen freilaufenden? Das sind die großen Fragen des Lebens.
Aber im Ernst, es ist toll, wenn wir bereit sind, an uns zu arbeiten. Die Leinenführigkeit beginnt nämlich nicht beim Hund, sondern bei uns – am anderen Ende der Leine. Bevor wir uns über Methoden Gedanken machen, sollten wir überlegen, wie wir das Ganze angehen wollen.

Auf diesem Fundament aufbauen
Nachdem wir alle wichtigen Dinge durchgegangen sind und uns sogar selbst ein paar Antworten entlockt haben, wird es Zeit, über die Praxis des Leinentrainings nachzudenken. Da gibt es ein paar Bedingungen, die beachtet werden sollten:
– Ablenkungsfreie/-arme Umgebung
– stellvertretende Reize und Situationen
– mit anderen Hunden (Gruppe)
– richtige Stimmung für das Training
– Lernpausen
– …
Und dann, das große Finale: die Methode, mit der jedes Mensch-Hund-Team klarkommt bzw. – wie ich finde – auch leben kann und will. Hier ist es dann auch nicht mehr so schwer, die passende Methode für die Leinenarbeit zu finden.

Fünfe gerade sein lassen?
Ja, das ist möglich und machbar!
Natürlich sind wir keine Roboter, genauso wenig wie unsere Hunde. Manchmal haben wir diese fantastischen, energiegeladenen Tage, an denen wir Bäume ausreißen könnten – und dann gibt es diese Tage, an denen wir uns fragen, warum wir überhaupt aus dem Bett gekrochen sind. An solchen Tagen ist es vielleicht klüger, unseren Hunden einfach ein bisschen Freiraum bzw. an der Leine ziehen zu lassen – solange sie niemanden in Gefahr bringen, versteht sich.
Denn wenn wir ständig korrigieren, korrigieren, korrigieren und am Ende doch kapitulieren, lernen unsere cleveren Snuuten schnell, wie man hartnäckig bleibt. Sie denken sich dann: „Aha, wenn ich nur lange genug durchhalte, gibt mein Mensch doch nach.“ Das ist wohl kaum die Lektion, die wir vermitteln wollen, oder?
Wir können vor einem Spaziergang die Entscheidung treffen, dass unsere Hunde machen können, was sie wollen (Voraussetzung ist natürlich immer, dass man für sich selbst und andere keine Gefahr darstellt) und beim nächsten Mal üben werden, und das mit fröhlicher und wohlwollender Stimmung, Beharrlichkeit und ganzem Herzen. Das verstehen unsere Hunde!

Rituale geben Struktur
Wir können, wie bei anderen Übungen auch, dem Leinentraining ein Anfang und ein Ende geben. Wir starten mit einem Anfangsritual, damit unsere Hunde wissen, dass jetzt der Ernst des Lebens beginnt – ähnlich wie die Montagsmorgenbesprechung, nur mit mehr Schwanzwedeln. Der eine Hund braucht dafür ein deutlicheres Signal als der andere, ähnlich wie manche von uns einen Espresso brauchen, bevor sie überhaupt den Mund aufmachen können. Dann geht’s los: konzentriert, fokussiert und wohlwollend schaffen wir die Orientierung an der Leine. Wenn alles glatt läuft, ist manchmal auch eine kurze Trainingssession genug. Zum grandiosen Finale gibt’s dann das Abschlussritual: wir können unsere Hunde mit einem fröhlichen Lob auflockern und vielleicht auch ein paar Schritte miteinander laufen. Und wenn die Leine zwischendurch mal straff ist – hey, das Leben ist zu kurz, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Die Übung ist schließlich beendet.
Rituale geben Struktur, bringen Stabilität und sorgen dafür, dass wir und unsere Hunde sicheren Boden unter den Pfoten haben – genau das Richtige, wenn wir schon eine halbe Ewigkeit mit der Leinenführung herumdoktern.

Wenn wir regelmäßig und konsequent üben, werden wir feststellen, dass unsere Hunde zunehmend öfter im Geist bei uns sind, selbst wenn wir nicht aktiv trainieren. Er wird sich also immer häufiger und länger an uns im Nahbereich intrinsisch motiviert orientieren – dann bleibt die Leine automatisch locker. Wann genau dieser Moment eintritt? Das bestimmt der Hund! Jeder Hund hat sein eigenes Lerntempo.

Ein Gedanke zum Schluss
Scheut euch nicht, euch Unterstützung zu holen – auch die Profis dürfen mal um Hilfe gebeten werden. Fragt auch ruhig andere Hundebesitzer*innen, bei denen die Leinenführung wie am Schnürchen läuft, wie sie das hinbekommen haben. Die meisten Menschen teilen ihre Tipps gerne – schließlich ist der Weg zum perfekten Leinengang eine Art geheimes Abenteuer, das man gerne teilt, oder?