Der Anfang ist der Schlüssel – Warum Veränderungen vor dem sichtbaren Problem liegen

Was mache ich, wenn mein Hund nicht auf meinen Ruf reagiert? Wie gehe ich damit um, wenn mein Hund in bestimmten Situationen nicht mehr an lockerer Leine läuft? Was mache ich, wenn er plötzlich den Nachbarn anbellt? Was tun, wenn er auf Artgenossen reagiert oder einem Jogger hinterherläuft? Was mache ich, wenn …?

Die Frage, die sich die meisten Hundebesitzerinnen stellen, bezieht sich oft auf die konkrete Situation, die ihnen Schwierigkeiten bereitet oder sie unsicher macht. Ein Beispiel: Was tue ich, wenn mein Hund ausrastet, wenn er einen Artgenossen sieht? In diesem Moment gibt es oft nicht mehr viel, das wir tun können. Der Hund ist dann sozusagen „im Tunnel“, während wir als Halter*innen draußen stehen und keinen Zugang mehr zu ihm haben. Manche Leute scherzen sogar, dass man dem Hund einen Backstein an den Kopf werfen könnte, und er würde trotzdem weitermachen.
Das zeigt, dass es nicht darum geht, sich ausschließlich auf das Problem zu konzentrieren.

Überlegen wir einfach mal: Statt uns die Frage: „Was mache ich, wenn …?“ zu stellen, sollten wir uns lieber fragen: „Wie kann ich mit meinem Hund arbeiten, damit es gar nicht erst dazu kommt?“

Klare Ziele definieren und an uns arbeiten
Das bedeutet, wir müssen klare Ziele definieren – was wollen wir und was wollen wir nicht? Natürlich möchten wir nicht, dass unser Hund andere Hunde anbellt oder Joggern hinterherjagt. Stattdessen wünschen wir uns, dass er zuverlässig auf unseren Rückruf reagiert und entspannt an lockerer Leine geht.
Um diese Ziele zu erreichen, sollten wir bereit sein, an uns selbst zu arbeiten. Die Arbeit an uns Menschen ist ein entscheidender Aspekt, der stets vor dem Training mit unserem Hund beginnen sollte.

Nicht nur das Offensichtliche zählt – Veränderung beginnt woanders
Es ist verlockend, sich nur auf die offensichtlichen Probleme zu konzentrieren – auf die Momente, in denen der Hund bellt, an der Leine zieht oder scheinbar auf Durchzug schaltet. Aber hier kommt der eigentliche Knackpunkt: Die Arbeit beginnt nicht erst bei diesen Verhaltensweisen, sondern schon viel früher. Es geht darum, das Fundament zu legen – die Basis für langfristige Verhaltensänderungen.
Dabei stellt sich die Frage, ob dein Hund in der Lage ist, in verschiedenen Alltagssituationen entspannt zu bleiben. Kann er ruhig und gelassen sein, wenn Besuch kommt oder während du sein Futter zubereitest? Bleibt er entspannt, bis der Spaziergang tatsächlich beginnt, sei es zu Hause oder im Auto? Akzeptiert er bestimmte Tabubereiche? Ebenso wichtig ist es, dass dein Hund lernt, in verschiedenen Situationen ruhig auf seinem Platz zu bleiben.

Impulse kontrollieren lernen und Frust aushalten
Impulse kontrollieren und Frust aushalten lernen sind für das Fundament unabdingbar.
Das Training der Impulskontrolle hilft dem Hund, seine spontanen Reaktionen zu zügeln und einen Bedürfnisaufschub zu akzeptieren. Das Ziel ist, ihm beizubringen, dass er ruhiger und gelassener seine Begehren zurückstellen kann.
Frustrationstoleranz zu trainieren bedeutet, dass du deinen Hund immer wieder in Situationen bringst, in denen er lernt, Frust auszuhalten. Wichtig ist dabei, dass es sich um Situationen handelt, in denen dein Hund eine reelle Chance hat, mit seinem Frust umzugehen und ein für ihn und dich zufriedenstellendes Alternativverhalten zu zeigen. Der Sinn des Trainings besteht darin, dass dein Hund lernt, Frust auszuhalten – nicht darin, dass er dauerhaft frustriert ist. Jeder Hund hat sein eigenes Level, mit dem er ins Training einsteigt. Es ist also ein individueller Prozess, der auf den jeweiligen Hund abgestimmt werden muss.

„Erste Hilfe“ Plan
Pläne machen gelassener – und das merken auch unsere Hunde.
Nehmen wir an, der Spaziergang mit deinem Hund fühlt sich manchmal wie ein Spießrutenlauf an, weil er sich – aus Unsicherheit, Pubertät oder anderen Gründen – nicht immer unter Kontrolle hat. Was tun? Wir erstellen einen Plan!
Beginnen wir mit der Route: Es gibt sicher mindestens einen Spaziergang am Tag, bei dem du die gleiche Strecke gehst. Schnapp dir einen Zettel und einen Stift und skizziere diese Route so detailliert wie möglich: Bäume, Hauseingänge, Bushaltestellen, Büsche, Gräben, Wasserstellen – alles, was dir auffällt.
Als Nächstes überlegen wir, was auf dieser Strecke passieren könnte: Der Nachbarshund kommt uns entgegen, ein Bus hält direkt am Bürgersteig, Menschen, Fahrradfahrer oder sogar jemand mit lauter Musik kreuzt unseren Weg.
Nun schreiben wir auf, was wir in solchen Situationen tun können: Umkehren und die Route andersherum gehen, die Bushaltestelle kurz als Puffer nutzen, einen größeren Bogen laufen oder, falls es eng wird, den entgegenkommenden Menschen freundlich bitten, kurz zu warten. Alternativ können wir den Hund auf der abgewandten Seite führen, ihn „Sitz“, „Stopp“ oder „Platz“ machen lassen und erst einmal alleine entspannt um die Ecke schauen.
Mit diesem Plan im Kopf sind wir auf alle Eventualitäten vorbereitet. Das gibt uns nicht nur ein Gefühl von Sicherheit, sondern macht uns auch souveräner im Umgang mit unserem Hund. Unsere Körperhaltung wird sich ändern – und das wird auch unser Hund bemerken.

Fazit
Die Arbeit mit unserem Hund beginnt nicht nur bei den sichtbaren Problemen, sondern vielmehr an der Basis. Indem wir klare Ziele definieren und aktiv an uns selbst arbeiten, legen wir die Grundsteine für positive Veränderungen im Verhalten unserer Hunde. Ein durchdachter Plan sowie die Fähigkeit zur Impulskontrolle und Frustrationstoleranz sind entscheidend, um in verschiedenen Alltagssituationen erfolgreich agieren zu können.